Gewaltgeschichte im Monotheismus
von Hans-Peter Schmidt
Vor einem knappen Jahrzehnt hat Jan Assmann mit seinem Buch „Moses
der Ägypter“ an einen wunden Punkt im Herzen der Gläubigen
und vor allem der Theologen gerührt, als er feststellte, dass der biblische
Monotheismus auf einem Prinzip beruht, welches unter Umständen zum Ausbruch
zwischenmenschlicher Gewalt führen kann. Mit Takt, Wissenschaftlichkeit
und überzeugendem Stil machte er es seinen Gegnern schwer, gegen seine
provokanten Erörterungen des Monotheismus einfach nur aufzubrausen und
alles in Bausch und Bogen zu verwerfen. Der beeindruckend höflich, doch
nicht minder entschieden geführte Disput fand seither in zahlreichen
Veröffentlichungen, Vorträgen und Diskussio-nen seinen Niederschlag,
was allerdings verhinderte, dass beide Parteien wohl vor allem aneinander
vorbeiredeten.
Dass einige Geschichten der Bibel für den heutigen Leser äusserst
brutal anmuten und dass es im Christentum wie im Islam zu grausamsten Kriegen,
Vernichtungsfeldzügen und Ketzerverfolgungen kam, ist eine Tatsache,
durch die die biblischen Religionen immer wieder in Erklärungsnotstand
geraten. Zwar lässt sich dieser Anklage relativ leicht entrinnen, indem
die hässlichen Entgleisungen der religiösen Krieger, Richter, Könige
und Folterknechte nicht der Religion, sondern der menschlichen Unreife zum
wahren Glauben angelastet werden, doch bleibt auch den Gläubigen oft
ein übler Nachgeschmack und notwendiger Zweifel angesichts all der Verfehlungen
im Namen der Religion. Da aber aus der Annahme, dass die Gewalt im Monotheismus
vorangelegt ist, unumgänglich folgen musste, dass es entweder dem Gott
an Friedlichkeit oder der Bibel an Wahrheit mangelt, rüttelt die These
unmittelbar am Selbstverständnis der Gläubigen.
In teils sehr überzeugenden Aufsätzen haben Theologen wie Norbert
Lohfink, Rolf Rendtdorff oder Erich Zenger daher zu zeigen unternommen, dass
die Bibel sowohl im direkten Wortlaut wie auch von dem ihr zugrundeliegenden
Geiste darauf abzielt, die im Menschen stets lauernde Gewalt so zu begrenzen,
dass es trotz der menschlichen Eigenart möglichst friedlich und gerecht
auf Erden zugehe. Dies wird von der Geschichte Kains und Abels, über
die Sintflut bis zu Michas Bild von den zu Pflugscharen gemachten Schwertern
deutlich. Auch für die These, wonach seit Moses der Glaube an die Wahrheit
eines alleinigen Gottes zu übersteigerter Feindschaft gegen polytheistische
Völker führt, lässt sich in der Hebräischen Bibel schwer
Anhalt finden. Zwar ist es richtig, dass sich Israel stets von anderen Völkern
abzugrenzen suchte und sich über die Idolatrie der anderen Völker
entrüstete, aber es gibt kein Zeugnis dafür, dass sie einen Krieg
geführt hätten, um ein Nachbarvolk zu missionieren und von der Falschheit
ihres Vielgötterglaubens abzubringen. Kriege überliefert die Bibel
in grosser Zahl, doch ging es dabei auch Israel stets um Eroberung oder Verteidigung
von Land und um Glaubensfragen nur insofern, als jeder Krieg letztlich von
den Kriegsgöttern der sich bekämpfenden Völker entschieden
wurde. Dass sich Jahwe durch sein Bewirken von Sieg und Niederlage als mächtigster
aller Kriegsgötter bewies, bedeutete keineswegs, dass die anderen Völker
deshalb ebenfalls zu Anhängern Jahwes gemacht werden sollten. Insofern
sich Israel als der geliebte Sohn und als Braut Gottes ansah, hätte es
ihm als regelrecht absurd anmuten müssen, die anderen Völker ebenfalls
zu gleichberechtigten Bräuten oder gleichgeliebten Söhnen Gottes
zu machen. Eifersüchtig verteidigten sie ihr Privileg der Auserwähltheit
und hielten im Heiligsten des Heiligen ihren Zugang zur Wahrheit Gottes geheim.
Jahwe war als Kriegsgott gewissermassen die Geheimwaffe Israels, an die sie
niemanden heranliessen.
Dass der biblische Monotheismus notwendigerweise zu Glaubenskriegen und Völkerfeindschaft
führt, lässt sich also relativ leicht aus der Bibel heraus widerlegen.
Der Verdacht, dass der Monotheismus ein Gewaltpotential in sich birgt, ist
damit allerdings noch nicht ausgeräumt. Schliesslich ist Gewalt nicht
nur die Gewalt, die aus dem Widerstreit mit andersgläubigen Völkern
erwächst, sondern auch diejenige, die innerhalb eines Volkes herrscht.
Zu gern wird im Rückspiegel der Moderne übersehen, dass die hebräische
Bibel von ihrem Ursprung her nicht Manifest einer Weltreligion, sondern Grundlage
für das Selbstverständnis und die Selbstverwaltung eines winzigen
Volksstammes war. Wo die Bibel ein neues Menschenbild erschuf, ging es ihr
also nicht darum, die Welt zu revolutionieren, sondern dem Volk die Bedingungen
zu verschaffen, die ihm ein weitestgehend selbstbestimmtes und gerechtes Dasein
ermöglichen würden. Erst aus diesem Drang nach Freiheit erwuchs
das revolutionäre Gottesbild und die innere Logik dessen, was erst seit
dem 17. Jahrhundert biblischer Monotheismus genannt wird. Dass eine gewisse
Form von Gewalt als notwendiges Strukturmerkmal in die Selbstverwaltung dieses
Volkes eingehen musste, wird erst aus der Verfassung des Volkes ersichtlich,
die den Gott als ihren ursächlichen Garanten brauchte. Entscheidender
Moment, der sowohl die Attribute Gottes als auch die Existenzbedingungen des
Volkes bestimmte, war hierbei der Bundesschluss in der Wüste.
Am Sinai verkündete Jahwe sein für Israel bestimmtes Gesetz und
erklärte sich zugleich zum obersten Richter und Gesetzesvollstrecker,
vereinte also Legislative, Judikative und Exekutive absolutistisch auf sich
selbst. Im Vergleich zu anderen Herrschern damaliger Epoche war diese Machtansammlung
nichts Aussergewöhnliches, wesentlich ist der Unterschied zu anderen
Völkern jedoch darin, dass es sich nicht um eine autokratische Ermächtigung
des Herrschers, sondern um einen freiwilligen Bundesvertrag handelte, der
zwischen Volk und Gott geschlossen wurde und dem von beiden Vertragspartnern
durch einen Schwur zugestimmt werden musste. Im Gegenzug für die Macht,
die das Volk seinem Gotte zuerkannte, versprach Jahwe dem aus der Sklaverei
entlaufenen Volk Wohlstand und Ruhm in einem eigenen Vaterland. Sollte das
Volk den Vertrag jedoch brechen, indem es das göttliche Gesetz verletzt,
so drohten ihm bittere Strafe, Vertreibung und Vernichtung. Im Unterschied
zu jedem irdischen Herrscher, der ja selbst alles verlieren würde, wenn
er sein Volke im Falle von Sündhaftigkeit vernichten und seiner Heimat
enteignen würde, hatte Gott nichts zu verlieren. Dies machte ihn als
Richter unbefangen und liess vermuten, dass seine Motivation selbstlose Liebe
sei.
Durch diesen freiwilligen Bund, und das ist das geistesgeschichtlich Revolutionäre,
gewann das Volk direkten Einfluss auf sein Schicksal und wurde für sich
selbst verantwortlich, denn alles, was Israel fortan widerfuhr, musste als
gesetzlich festgeschriebene Folge seiner guten oder bösen Handlungen
erscheinen. Im Gegensatz zu den anderen Völkern war Israel seither nicht
mehr der Willkür und den Kaprizen der Götter ausgeliefert. Der Bundesvertrag
mit Jahwe verpflichtete den Gott auf gleiche Weise wie das Volk. So wie das
Volk auf das Gesetz wurde Gott auf seine Zusicherung der Rechtssicherheit
vereidigt. Und auf eben dieser Prämisse fusst im Grunde die gesamte,
im nachhinein daraus extrahierte Logik des biblischen Monotheismus.
Denn wenn Gott nicht des Meineids überführt werden soll, so muss
er, um als Richter gerecht richten zu können, allwissend sein. Alle verborgenen
Gesetzesverletzungen muss er sehen und auch alle Motive und Tatumstände
kennen. Zudem muss er notwendigerweise allmächtig sein, denn nur so kann
er sowohl für die gerechte Strafe als auch die gerechte Belohnung einstehen
und verhindern, dass andere Götter aus Jux und Willkür in den Lauf
der Geschichte eingreifen, indem sie beispielsweise ein ihrerseits erwähltes
Volk in einem Krieg gegen Israel zum Sieg führen, obwohl sich Israel
keiner Sünde schuldig gemacht hat und also von ihrem Gott vertragsgemäss
belohnt werden müsste.
An dieser Stelle kommt als entscheidendes Moment hinzu, dass der Vertrag nicht
zwischen Gott und jedem einzelnen für sich, sondern zwischen Gott und
dem Volk als ganzem eingegangen wurde. Gott straft folglich nicht jeden einzeln
für dessen Sünden, sondern zieht das Volk als ganzes für die
Taten jedes einzelnen Mitglieds der Gemeinde zur Rechenschaft. Da Gott nun
aber kraft seiner Allwissenheit jede noch so heimliche Tat und jedes noch
so verborgene Begehren jedes einzelnen kennt und die Sünden des einzelnen
dem ganzen Volke anlastet, so folgt daraus, dass nicht nur jeder einzelne
durch seine Lebensweise Verantwortung für das Schicksal des ganzen Volkes
trägt, sondern vor allem, dass das ganze Volk existentiell dazu verpflichtet
ist, die Einhaltung des Gesetzes durch jeden einzelnen zu überwachen
und durchzusetzen.
Gott allerdings fasste sich nur als Richter in letzter Instanz auf. Bevor
er sich als Gesetzesvollstrecker einmischte, überliess er es dem Volk
selbst, die etwaigen Sünder ausfindig zu machen und nach dem Masse seines
Gesetzes zu richten. Erst wenn die Sünden nicht aufgedeckt und nicht
rechtmässig bestraft wurden, sah Gott sich seinerseits zum Handeln aufgerufen.
Um sich also Gottes Wohlwollen und damit das eigene Existenzrecht zu bewahren,
sah sich das Volk gezwungen, jede Sünde aufzudecken und mit unerbittlicher
Härte gegen etwaige Gesetzesbrecher vorzugehen. Das Gesetz galt als unantastbare
Wahrheit, an die sich jeder zu halten hatte, und wer diese Wahrheit durch
sein Tun in Frage stellte, indem er zum Beispiel einem anderen Gott opferte,
Unzucht trieb, die Toten beschwörte oder unreine Nahrung zu sich nahm,
der musste ausgemerzt werden, weil er die Existenz des ganzen Volkes damit
aufs Spiel setzte.
Auf die Einhaltung der Gesetze wurde in jedem Königreich oder Volksstamm
gedrungen, aber nirgends gab es diese existentielle Angst, dass die Missachtung
eines Gesetzes zum Untergang des ganzes Volkes führen könnte. Erst
diese existentielle Übersteigerung der Gesetzesbedeutung, die durch die
Vorstellung eines allmächtigen und allwissenden Gottes und dessen verkündete
Wahrheit zustande kam, machte es unabdingbar, sich selbst und seine Nächsten
zu überwachen und ohne Nachsicht zu strafen, was letztlich ein System
des inneren Terrors bewirkte. Angesichts der Vielzahl traumatischer Erlebnisse,
die das biblische Gottesvolk zu erleiden hatte, wuchs einerseits das Schuldgefühl
und andererseits die Selbstgerechtigkeit, die das Schuldgefühl durch
Beschuldigung der Nächsten abzuwälzen suchte. Ein psychologisch
und historisch schwer zu entknotender Komplex kam in Gang, der in Gegenrichtung
zur ursprünglichen Idee von Gerechtigkeit und Freiheit durch das Gesetz
verlief. Ob es historisch tatsächlich zu dieser totalen Gesetzesdurchdringung
der biblischen Gesellschaft kam, ist durchaus zweifelhaft, die religiöse
Logik, die dahinter steht, ist es nicht.
Erst das frühe Christentum vermochte diesen Kreis des Überwachens
und Strafens für einen Moment zu durchbrechen, als es den biblischen
Monotheismus universalisierte, also von dem begrenzten Kosmos des einen Volkes
befreite. Indem es dem Christentum (und der rabbinischen Reform) darüber
hinaus gelang, das geschriebene Gesetz als Mass aller Wahrheit zu entmachten
und anstatt nach dem Buchstaben nach dem Geist zu urteilen, nahm sie auch
den Richtern und Henkern den ersten Stein aus der Hand. Dem Menschen wurde
die Verurteilung seiner Nächsten wieder entzogen, um sie ganz in Gottes
Verantwortung zurückzugeben. Vor Gottes Richtstuhl zittert seither nicht
mehr das ganze Volk wie ein Mann, sondern jedes Individuum für sich.
Gottes Rache nahm nicht mehr Mass an Kollektivschuld und Seuchen, Naturkatastrophen,
Kriege galten im universellen Massstab nur noch als lokale Ereignisse, die
zwar als Vorboten des kommenden Weltgerichts, nicht aber als Gottes Rache
für eine zu nachlässige Sittenpolizei verstanden werden konnte.
Die aus der frühchristlichen Reform des Monotheismus hervorgehende Besänftigung
der Gewalt war jedoch nur eine Unterbrechung. Auch wenn der Buchstabe des
Gesetzes nicht mehr als Mass aller Wahrheit herangezogen wurde, so fand durch
die Evangelien und später durch die Kirche auch der Geist der Gerechtigkeit
bald wieder zu so konkreten Formen, dass er seinerseits zum Mass der Wahrheit
und zur Richtschnur irdischer Verurteilungen wurde. Die Idee des Weltgerichts,
das jeden einzelnen am Ende seines Lebens dem gerechten Lohne für seine
guten und bösen Taten zuführt, sollte nur ein scheinbarer Ausweg
aus der entgleisenden Gewalt menschlicher Vorverurteilungen gewesen sein.
Die moralische Konzeption von Weltgericht und Seelenheil machte es erforderlich,
dass das Leben nach dem Tode Fortsetzung findet - eine Idee übrigens,
die dem Alten Testament völlig unbekannt. Das Mass aller Dinge war also
fortan nicht das künftige Heil des eigenen Volkes, sondern das eigene
Seelenheil nach dem Tode. Da sich für das Leben nach dem Tode aber keinerlei
konkrete Anhaltspunkte finden lassen, wurde das Leben im Jenseits nicht nur
Projektionsfläche der Hoffnungen, sondern vor allem Spiegelfläche
aller dunklen Ängste. Zwar war man sich sicher, dass der allwissenden
Gott an der Schwelle zum Jenseits jede Seele gerecht nach ihren Verdiensten
beurteilt und je nach dem in Himmel oder Hölle entsendet, doch insofern
kein Mensch ganz ohne Schuldgefühle vor dem allwissenden Auge Gottes
zu leben vermag, versuchte jeder Gläubige, mehr aus Angst vor der Strafe
als aus Vorfreude aufs Paradies, dem Gott so genehm wie möglich zu werden.
Um allerdings zu wissen, was ihm Gottes Wohlwollen einbringt, blieb der Gläubige
auf das Diktat der Kirche und das der eigenen Psyche angewiesen, denn der
Gott des Neuen Testaments hatte im Gegensatz zum Gott des Alten Testaments
nirgends klar und eindeutig sein moralisches Richtmass niedergeschrieben.
In Ermangelung eindeutiger Worte Gottes wurde das moralische Verhalten am
Mass der eignen Glücksaussichten im Jenseits und den Vorlieben Gottes
ausgerichtet. Da auf letzteres nur spekulativ geschlossen werden kann, öffnete
sich sperrangelweit der Raum für die Manipulationen der Gläubigen.
Nicht der Monotheismus, sondern jene durch den Monotheismus ermöglichte
Manipulation der Gläubigen führte seither zum immer neuen Aufflammen
religiöser Gewalt.
Die Universalisierung des Monotheismus musste, wie eben dargestellt, zu einem
Kampf der Wahrheiten, sprich der Interpretationen der göttlichen Vorlieben
führen. Wer sich irrte in dem, was er in Gottes Auge für gut erachtete,
riskierte sein Seelenheil und die Erträglichkeit des Lebens nach dem
Tod. Damit wurde der Kampf um die Wahrheit Gottes wieder existentiell. Auch
wenn die missionarische Tätigkeit der Christen meist auf die friedliche
Seelenrettung anderer abzielte, so darf nicht verkannt werden, dass zahllose
Gläubige ihre Seele vor allem dadurch zu retten hofften, dass sie die
Wahrheitsinterpretation, auf die sie eingeschworen wurden, zur Not mit Gewalt
gegen die Wahrheitsinterpretation anderer verteidigten. Der schrecklichen
Höllenangst, sich vielleicht zu täuschen und Gott auf falsche Weise
zu dienen, lässt sich eben am ehesten damit begegnen, dass man andere
vom eigenen Glauben überzeugt. Je entschiedener die vermeintliche Wahrheit
verteidigt wurde, desto überzeugter und beruhigter liess sich selber
an diese Wahrheit glauben und desto grösser war die Hoffnung, am Tag
des Gerichtes die eigenen Verdienste als Gottesstreiter geltend machen zu
können. Bald ging es nicht mehr nur darum, das Böse um des Bösen
willen auszumerzen und das Gute um des Guten Willen zu bewirken, sondern darum,
sich durch die Ausmerzung des Bösen und die Propagation des Guten bei
Gott Meriten zu erwerben, die von den eigenen Schuldgefühlen ablenken.
Die Gewalt, zu der es dabei kam, war auch in diesem Falle weniger gegen Heiden
als vielmehr gegen jene anderen Monotheisten gerichtet, die sich ein anderes
Bild von der Wahrheit Gottes und dessen Gerechtigkeit machten. Der Unglaube
der Heiden konnte der vermeintlichen Wahrheit des Monotheisten kaum etwas
anhaben, denn der Zweifel des gläubigen Monotheisten betrifft nicht die
Frage nach der Existenz Gottes, sondern die Frage nach dem, was Gott will
und was er für gut oder böse erachtet. Die Gewalt im universalisierten
Monotheismus, die, es sei noch einmal betont, dem ursprünglichen Geist
der Bibel zuwiderläuft, erwächst dem existentiellen Streit um die
Eigenschaften des unerkennbaren, unfassbaren Gottes und dessen Gerichtswesen.
Sie ist essentiell intramonotheistisch und charakterisiert sowohl die Auseinandersetzungen
zwischen den verschiedenen monotheistischen Konfessionen als auch den Umgang
mit Ketzern in den eigenen Reihen. Zwischen Katholizismus, Protestantismus,
Islam oder Judaismus besteht diesbezüglich kein wesentlicher Unterschied.
Um das intramonotheistische Gewaltpotential eines Tages zu überwinden,
scheint nur ein Ausweg zu bleiben: Wir müssten die Frage nach Gut und
Böse endlich ganz von der Frage noch Gott trennen und uns damit abfinden,
dass Gesetz und Moral vollständig in den Bereich des Menschen fallen.
Wozu die Bibel ja übrigens schon auf ihren ersten Seiten aufruft. Denn
dass der Mensch mit dem Fall aus dem Paradies so wie Gott geworden ist und
das Gute vom Bösen unterscheiden kann, heisst eben vor allem, dass er
dies nun auch eigenverantwortlich tun soll und sich nicht mehr auf Gott herausrede.