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Der Fall des Riesen Goliat

Biblische und nachbiblische Erzählversuche

von Walter Dietrich

aus: König David - biblische Schlüsselfigur und europäische Leitgestalt (19. Colloquium der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften), hg. Walter Dietrich, Freiburg/Schweiz 2003, 120-133

 

 

Gleich viermal in den letzten Jahren ist dem König David eine besondere Ehre zuteilgeworden: Die Schriftsteller Stefan Heym, Joseph Heller, Torgny Lindgren und Grete Weil haben ihn zur zentralen Romanfigur erkoren. [1]

Laut Brockhaus-Enzyklopädie wird in einem Roman ein breiter Lebensausschnitt oder das Lebensganze einer oder mehrerer Personen ... in Verbindung mit einer von ihnen erfahrenen, jedoch in sich selbst bedeutsamen Zeit dargestellt. Der Roman bedient sich der Prosa, kennt keine kompositorische Strenge, kann mehrere selbständige Handlungslinien miteinander verflechten und alle [möglichen] Darstellungsarten in sich aufnehmen ..., wobei sich der Verfasser in epischer Objektivität verhüllen oder als erklärender, reflektierender, zuweilen auch ironisierender Sprecher einschalten kann. [2]

All dies trifft, je in seiner Weise, auf jeden der zeitgenössischen Davidromane [3]  es trifft aber in vollem Umfang auch auf die Davidüberlieferung in den Samuelbüchern zu. Haben die zeitgenössischen Romanciers nur einen biblischen Roman neu geschrieben? Worin treffen sich und worin unterscheiden sich die Methoden und Zielsetzungen der antiken und der modernen Autoren?

Ich wähle als Demonstrationsbeispiel die Geschichte von Davids Sieg über Goliat (1Sam 17).

 

I  Die literarisch-ästhetische Ebene

Grete Weil läßt ihre Romanheldin Michal, die Tochter König Sauls, über David sinnieren: einen Helden bekam ich, die sich einen Sänger gewünscht hatte, schließlich zum Mann (26). Und das kam so: David wurde an den Hof geholt, um durch Musik und Gesang ihren gemütskranken Vater zu besänftigen und aufzuheitern. Mit ihrem Bruder Jonatan zusammen lauschte Michal den Darbietungen des jungen Künstlers  und war sogleich verzaubert: Der Harfenton, jubilierend, anders als jemals zuvor vernommen, darüber eine helle Männerstimme ... Sie fordert, sie schenkt, steigt zum Himmel, kehrt zur Erde zurück, voll Kampfeslust, doch auch voll Frömmigkeit. Ich beginne zu fliegen, dahinzugleiten durch Zeit und Raum, selbstverloren, selbstgefunden. Meine Ewigkeit. (21) Michal verliert ihr Herz an David und verbringt eine Liebesnacht mit ihm: die einzige, wie sie bemerkt (und von der die Bibel, nota bene, nichts weiß). Die Romanze endet abrupt, weil die Philister ins Land einfallen. Dank Davids Sieg über Goliat werden sie in die Flucht geschlagen. Als gefeierter Krieger und Held (und noch dazu um den schrecklichen Brautpreis von 200 Philistervorhäuten) wird David Michals Mann  und letztlich ihr Unglück.

Mit den Augen einer Frau wird hier ein Problem wahrgenommen, welches die biblische Überlieferung aufwirft. Darüber, wie der junge David an Sauls Hof gekommen ist, gibt es zwei sehr verschiedene, hart aufeinander stoßende Darstellungen: die von David als Hofsänger (1Sam 16,14ff) und die von David als Riesenbezwinger (1Sam 17). Grete Weil spürt in den beiden Geschichten zwei gegensätzliche David- bzw. Männer-Bilder: ein anziehendes, das aber leider alsbald zurücktritt, und ein abstoßendes, das sich durchsetzt, und unter dem sie mit ihrer Heldin Michal leidet.

Stefan Heym fällt am Nebeneinander von 1Sam 16 und 17 etwas anderes ins Auge  bzw. läßt er die für die Verfasser des biblischen König-David-Berichts darüber stolpern. König Salomo hat nämlich eine hohe Kommission zur Ausarbeitung des Einen und Einzigen Wahren und Autoritativen, Historisch Genauen und Amtlich Anerkannten Berichts über ... David ben Jesse (11) eingesetzt und ihr als Sachverständigen und Redaktor einen gewissen Ethan ben Hoshaja, von Beruf Schriftsteller und Historiker, beigegeben. Dieser Ethan stellt die unscheinbare und doch brisante Frage, wann sich der Goliatkampf denn zugetragen haben soll: Bevor David gerufen wurde, mit seiner Musik den bösen Geist zu besänftigen, welcher den König Saul beunruhigte, oder nachher? Die Gesichter der Herren zogen sich in die Länge ... In beiden Überlieferungen begegnen David und Saul einander zum ersten Mal; also schlossen David der Riesentöter und David der Musiktherapeut sich gegenseitig aus; das war die große Schwierigkeit (51f). Es ist nach Heym schließlich der General Benaja, der den Gordischen Knoten durchschlägt: Wir müssen die beiden Geschichten in unsern Bericht aufnehmen? Also nehmen wir sie auf. Wir müssen David vom Hofe Sauls nach Bethlehem zurückschaffen [scil. damit er von dort aus neu in den Philisterkrieg eintreten kann]? Also schaffen wir ihn zurück. Wir schreiben  laßt mich nachdenken  wir schreiben: Aber David ging wiederum von Saul, daß er die Schafe seines Vaters hütete zu Bethlehem. Und wenn da welche sind, denen die Worte ungenügend erscheinen, und die Haare spalten wollen ...: mit diesen werden wir entsprechend verfahren. (54)

Jener angeblich von Benaja diktierte Satz steht tatsächlich in der Bibel: in 1Sam 17,15. Und er stellt tatsächlich eine redaktionelle Klammer zwischen den beiden genannten Einzelüberlieferungen dar. Doch er verrät kaum die Hand eines Generals, sondern die eines Geschichtsschreibers (oder soll ich sagen: Romanciers?), der es sich zum Ziel gesetzt hat, aus einer Reihe selbständiger Überlieferungen ein zusammenhängendes Geschichtswerk (oder soll ich sagen: einen Roman?) über König David zu schreiben. Er ist Geschichtsschreiber nur als Schreiber von Geschichten  und zwar von Geschichten, die er deutlich genug nicht selber erfunden hat. Seine Kunst besteht darin, sie nebeneinander alle zur Sprache zu bringen  und sie doch zusammen das sagen zu lassen, was nach seiner Überzeugung die Davidgeschichte zu sagen hat. [4]

Sehr behutsam flicht dieser Autor hier und dort Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Überlieferungen ein. Neben 1Sam 17,15 ist hier 1Sam 17,42b zu erwähnen: Goliat sieht David zum Zweikampf auf sich zukommen  und er verachtete ihn, weil er noch ein Knabe war  und rötlich, von schönem Aussehen. Die Bemerkung hat im näheren Kontext keine Funktion, wohl aber im weiteren: mit fast den gleichen Worten wird David beschrieben, als er  um von Samuel gesalbt zu werden  das allererste Mal in der Bibel auftritt (1Sam 16,12).

Das Motiv von Davids Ansehnlichkeit verbindet nicht nur die Salbungs- und die Goliatgeschichte, sondern mit beiden auch die vom Sänger und Therapeuten David. Als Saul seine Diener auffordert, ihm zur Linderung seiner Leiden einen des Saitenspiels kundigen Mann zu suchen, da antwortet einer der Höflinge: Siehe, ich habe einen Sohn des Isai von Betlehem gesehen, der versteht sich aufs Saitenspiel ... und er ist ein ansehnlicher Mann (1Sam 16,18). David wird an dieser Stelle indes noch genauer geschildert: Er ist ein tapferer Kämpfer und Kriegsmann und kundig im Gebrauch des Wortes  und Jhwh ist mit ihm. Deutlich wird hier das Ideal des königlichen Gefolgsmannes gezeichnet, und dieses schließt kriegerische Tüchtigkeit selbstverständlich mit ein. Insofern brauchte Michal, als David sich gegen die Philister als Krieger hervortat, nicht so überrascht zu sein, wie sie es nach Grete Weil war.

Das Bild Davids zeigt von allem Anfang an sehr verschiedene Facetten. [5] Nicht die nebensächlichste ist die seiner besonderen Nähe zu Gott, ausgedrückt mit der Formel vom Mit-Sein Jhwhs. Vermutlich ist sie vom Gesamterzähler selbst betont an den Schluß der Charakteristik Davids gestellt  und wird von ihm im folgenden immer wieder bekräftigt. Saul entläßt David mit dem Wunsch bzw. der Zusage in den Kampf mit Goliat: Jhwh sei/ist mit dir (1Sam 17,37). Später erfüllt David alle ihm von Saul übertragenen militärischen Aufgaben mit Erfolg, weil Jhwh mit ihm ist (18,14); und als er dem König 200 Philistervorhäute abgeliefert und dafür Michal zur Frau bekommen hat, merkt Saul, daß Jhwh mit David ist  und beginnt sich vor ihm zu fürchten (18,28f).

Damit ist ein Hauptmotiv der Geschichte von David und Saul angeschlagen: Der eine steigt unversehens auf, der andere unfreiwillig ab, weil Jhwh es so will. Von da aus erscheint es nicht als zufällig, daß die Geschichte von David als Leierspieler mit der Mitteilung einsetzt: Der Geist Jhwhs war von Saul gewichen; es ist dies eine exakte Gegenformulierung zur Mitseins-Formel; sicher stammt auch sie vom Gesamterzähler.

Unser Geschichtsschreiber hat also verschiedene Einzelüberlieferungen über den jungen David sorgfältig miteinander verknüpft, ohne doch ihr Eigenprofil einzuebnen und seinem Werk ganz und nur seinen Willen aufzuzwingen. [6] Eben das aber gilt, wie es scheint, nicht nur für die größere Komposition 1Sam 1617, sondern schon für die Goliatgeschichte selbst. [7] Die modernen Romanautoren nehmen sie einfach als eine einzige, in sich geschlossene Erzählung. Der biblische Autor hatte in dieser Hinsicht größere Schwierigkeiten, lag ihm doch offenbar nicht nur eine Version von Davids Sieg über Goliat vor, sondern deren zwei. [8]

Eine relativ knappe (und vermutlich die ältere) Fassung der Goliatgeschichte erzählte vom Aufmarsch der Philister und der Israeliten bei Ephes Dammim, vom Auftreten und der Herausforderungsrede eines furchterweckend riesigen und schwerbewaffneten Zweikämpfers namens Goliat aus Gat (17,19)  und davon, daß David, ein in der Schlachtreihe Israels stehender, unbekannter Schleudersoldat [9] die Herausforderung annahm, den Goliat mit einem einzigen Schuß seiner Distanzwaffe tötete und damit einen glanzvollen Sieg über die Philister einleitete (17,48b.50.51b53).

Die zweite Version läßt den blutjungen Hirtenknaben David unversehens in eine Philisterschlacht geraten und dort den Auftritt eines philistäischen Zweikämpfers erleben, [10] der alle israelitischen Krieger in Angst und Schrecken versetzt. David erfährt, daß der König dem, der diesen Goliat besiegt, reiche Belohnung, seine Tochter und Steuerfreiheit für die Familie versprochen hat. Seine mehrmals und lauthals geäußerte Entrüstung über das dreiste Gebaren des Recken bringt ihn schließlich vor Saul. Er, ein gänzlich unbekannter Jüngling, macht dem König Mut und erbietet sich selbst zum Zweikampf; Angst habe er nicht, weil er als Hirte auch schon mit Löwen und Bären fertiggeworden sei. Sprichts, nimmt Schleuder und Steine an sich, nähert sich dem waffenstrotzenden Feind, wird von diesem mit Hohn und Verachtung empfangen, streckt ihn aber urplötzlich mit einem wohlgezielten Schuß nieder, läuft zu dem Gefällten, trennt ihm mit dessen eigenem Schwert den Kopf vom Leibe und wird anschließend vor Saul gerufen, um diesem das Geheimnis seiner Identität zu enthüllen (17,1214.1734a.36.4043.48a.49.51a.5458). [11]

Der Gesamterzähler, der die Hirten- mit der Soldatenversion verschmolz und so einen gewichtigen Baustein seines David-Romans formte, setzte in dem Text nicht nur literarische Klammern, [12] sondern auch neue inhaltliche Akzente. Beides zugleich erreicht er in der ausdrucksstarken Szene von der Rüstungsanprobe (17,38f): Saul will den kampfunerfahrenen jungen Hirten mit seiner eigenen Kriegsausrüstung wappnen; diese aber gleicht auffällig derjenigen, mit der Goliat laut der Soldatenversion ausgestattet ist [13]  nur daß Saul dem David auch noch ein Schwert geben will, von dem dort gerade nicht die Rede ist, das der Hirtenknabe David aber selbstverständlich braucht, um Goliat damit den Kopf abzuschlagen. [14] Indem David die gesamte Rüstung wieder ablegt, weil er sich darin nicht bewegen kann, gibt der Verfasser zu verstehen, was er von Kriegszeug à la Goliat und Saul hält. Er bringt dies noch deutlicher zum Ausdruck in den großen Dialogen der Geschichte [15] (17,34ff.43ff), die er zu diesem Zweck kräftig ausweitet. Nicht David hat die Ehre Gottes und seines Volkes zu retten, sondern Jhwh [16] wahrt sie selbst durch den Einsatz Davids, den er in allen Gefahren bewahrt (17,34ff). Nicht dem gehört der Sieg, der über die besten Waffen verfügt, sondern dem, der auf Jhwh vertraut (17,43ff). Unverkennbar verlagert sich der Nachdruck vom Heldenhaft-Beherzten aufs Nachdenklich-Theologische.

Mehr noch als den modernen Romanautoren macht also auch dem biblischen die Disparatheit der überlieferten Einzelstoffe zu schaffen. Sie ist ihm aber kein Anstoß, sondern ein Ansporn, daraus nun doch ein stimmiges Ganzes zu formen. Dabei geht er so geschickt zu Werke, wie ein guter Autor es nur kann. Spürbar beflügelt ihn Begeisterung für die Sache: die Sache Davids, Israels, Jhwhs. Für sie will er seine Leserinnen und Leser gewinnen  auch mit der Geschichte von David und Goliat. Mag sein, daß er sich darin von seinen modernen Nachfolgern unterscheidet.

 

II  Die historisch-rationale Ebene

Stefan Heym läßt die Kommission, die den König-David-Bericht erstellen soll, auf eine bemerkenswerte Weise vom Sieg Davids über Goliat Kenntnis erhalten: nicht aus schriftlichen Quellen oder aus Augenzeugenberichten, sondern aus der mündlichen Überlieferung, die präsentiert wird durch Jorai, Jachan und Meshullam, behördlich zugelassene Erzähler von Geschichten und Legenden (48). Die drei  nicht sehr vertrauenswürdig wirkenden  Barden tragen nacheinander je ihre Goliatgeschichte der Kommission vor, und als ihre Berichte verglichen worden waren, siehe, da stimmten sie genau überein, vom ersten bis zum letzten Wort ... Da konnte sich der Prophet Nathan gar nicht genug tun über das Wunder der gleichlautenden Berichte; er vergaß aber, daß die Zuhörer dieser Geschichtenerzähler auf den Marktplätzen und in den Toren der Städte Kindern gleich waren, welche stets auf dem genauen Wortlaut ihrer Märchen bestehen (51).

Entmythisierung verlangt das Volksmärchen von Davids Sieg über Goliat; nach einem historischen Kern zu suchen, wäre zwecklos.

Torgny Lindgren läßt keinen anderen als David selbst seiner Lieblingsfrau Batscheba von seiner Heldentat erzählen, und zwar zum wiederholten Male. Dabei gerät Goliat noch riesenhafter, als er in der Bibel schon ist: Er war sieben Ellen lang [in der Bibel: sechs Ellen und eine Handbreit!], der Kupferhelm auf seinem Kopf konnte als Kochkessel dienen, und dann hatten zwei Zicklein darin Platz, sein Panzer hatte das Gewicht von zwei Pferden [in der Bibel fehlen diese eindrucksvollen Vergleiche], der Schaft seines Speeres war wie eine Säule des Palastes [statt wie ein Weberbaum, so die Bibel], und drei Männer waren nötig, um seinen Speer zu tragen [in der Bibel einer für seinen Schild] (173f).  Batscheba gerät im Anschluß an diese Schilderung ins Sinnieren. Bei jedem Mal, fällt ihr auf, sind die Maße ... ein wenig gewachsen, ein Viertel hier, ein Zoll da ... Davids Königlichkeit zwingt alles in seiner Nähe zu wachsen, auch Erzählungen, seine Mächtigkeit läßt es nicht zu, daß etwas so bleibt, wie es ist. Vielleicht war Goliath hochgewachsen. Aber er war ein ganz gewöhnlicher Mann, sein Schwert wurde lange nach seinem Tode geschmiedet, um das Gerücht von seinem Riesenwuchs zu bestätigen ... David streckte ihn aus der Nähe mit einem Stein aus seiner Schleuder nieder, das war tüchtig. Aber es war kein Wunder des Herrn (175f).

Redimensionierung widerfährt der Goliatgeschichte hier, vorgenommen von einer Frau mit Augenmaß.

Eher noch stärker und unter Aufbietung von sehr viel Phantasie zerzaust Grete Weil Davids Siegeskranz. Sie läßt Prinzessin Michal von ihrem Bruder Jonatan den wahren Hergang des Goliatkampfes erfahren: Goliat hatte es nicht mit einem, sondern mit zwei Gegnern zu tun; den einen, Jonatan, nahm er wahr, den andern, David, nicht, weil nämlich viele Riesen eine Geschwulst im Kopf haben, die ihr Gesichtsfeld einschränkt (33). Als Jonatan nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, ertönte plötzlich ein Vogelruf (von David nachgeahmt, natürlich) und als Goliat daraufhin den Kopf wandte, stürzte Jonatan vor und stieß ihm sein Schwert in den Hals; genau gleichzeitig traf ihn Davids Stein an der Stirn; Jonatan überließ es großmütig dem Freund, den gemeinsam gefällten Feind zu enthaupten (32f).

Amplifizierung könnte man diesen Versuch nennen, der Goliatgeschichte historisch beizukommen: Indem man der Geschichte angeblich Verlorengegangenes wiedergibt, gewinnt sie neue Plausibilität.

Joseph Heller läßt den altgewordenen David seine gesamte Lebensgeschichte erzählen: getreulich nach der Bibel, nur viel breiter, behäbiger, geschwätziger. Die Goliatgeschichte erstreckt sich über 23 Romanseiten (81104). Ausführlich äußert sich David zu seiner, beim Schafehüten erworbenen Treffsicherheit im Steinschleudern: Ich ... war imstande, auf dreißig Schritte einen Granatapfel herunterzuholen  jedenfalls bei neun von zehn Versuchen. Und bei praktisch jedem Versuch konnte ich einen Granatapfel zu Mus verarbeiten. Goliaths Gesicht war größer als ein Granatapfel (89). Seltsam, daß die gesamte Armee Israels in Angst vor diesem Hünen erstarrte; kein anderes Hirn als das meine war zu der Überlegung fähig, Goliath könnte im Zweikampf unterliegen, vorausgesetzt, man ließ sich nicht auf die Kampfesweise ein, die er ... im Sinne hatte. Offen gestanden sah ich nicht, daß Goliath auch nur die geringsten Siegeschancen hatte. Der arme Hund war schon so gut wie tot (89). Dies umso mehr, als er dann noch durch eine List genarrt wurde: David ging ihm entgegen, ein harmloser, ungepanzerter Hirtenknabe, den Stab in der Hand und die Schleuder unauffällig im Gürtel (97). Der Argwohn, ich könnte ihn töten wollen, legte sich mehr und mehr, als er mir erlaubte, ihm näher und näher zu kommen, ohne daß er zu den Waffen griff, und ich beobachtete die Abfolge der Empfindungen, mit denen er mich beobachtete. Er war verwirrt. Er war neugierig. Er war perplex ... Er stand offenen Mundes und glotzte wie gelähmt. Sein Schildträger bewegte sich verständnislos und aufgescheucht hinter ihm (99). Keine fünfzig Schritte mehr von ihm entfernt, warf ich den Stecken fort, rannte ihm unvermutet entgegen, und zwar schnurgerade und so schnell ich konnte, dabei ließ ich die Schleuder um meinen Kopf kreisen ... Goliath stand wie angenagelt, ein lebloses Ding, mit offenem Mund ... In die beiden letzten Schwünge legte ich äußerste Kraft, zielte auf das klaffende Loch des geöffneten Mundes ...  und fehlte. Der Stein traf ihn oberhalb des Auges an der Stirne ... (102)

Rationalisierung ist das Merkmal dieser Nacherzählung. Davids Sieg über Goliat gerät zu etwas vollkommen Natürlichem und Wahrscheinlichem.

Offenbar empfinden alle vier Schriftsteller die biblische Goliatgeschichte als nicht besonders glaubwürdig. Die biblischen Erzähler hätten auf die Frage nach der Historizität des von ihnen Berichteten sicher mit Verständnislosigkeit reagiert. Gewiß waren sie überzeugt, die Wahrheit mitzuteilen, doch hätten sie diese kaum auf der Ebene des Historisch-Faktischen gesucht. [17] Sie wollten nicht trockene Fakten mitteilen, [18] sondern eben erzählen, das heißt: durch die Darstellung von Vergangenheitlichem die Gegenwart erhellen, durch die Schilderung geschichtlicher Gestalten auf die Menschen ihrer Zeit einwirken (ganz ähnlich, wie dies auch Romanciers bei der Bearbeitung alter, etwa biblischer Stoffe beabsichtigen).

Der Gesamterzähler von 1Sam 17 verfolgt sichtlich weniger historische als vielmehr literarische, politische und theologische Interessen. Sein Davidbild, erwachsen aus der Kenntnis verschiedener Überlieferungen und eigener Überzeugung, ist leuchtend positiv. Nicht ein historisch differenziertes Urteil will er begründen, sondern den Leser auf die Seite Davids ziehen. Wo er in 1Sam 17 ausführlicher das Wort ergreift, da nicht, um geschichtliche Zusammenhänge und Einzelheiten aufzuhellen, sondern um Gottes Wirken in der Geschichte (und speziell durch David) zu bezeugen. Saul ist allenfalls dunkle Negativfolie für David. Offenkundig soll der Übergang der Macht vom ersten auf den zweiten König Israels, von einem benjaminitisch-nordisraelitischen auf das judäisch-davidische Königtum als legitim und gottgewollt erscheinen. Die äußeren Feinde Israels, hier: die Philister, sind nur solange eine tödliche Gefahr, als Saul sie abzuwehren versucht; sobald David auf den Plan tritt, sind sie chancenlos. Israel ist Jhwhs Volk, Israels Heer Jhwhs Schlachtreihen. Mit Jhwh haben es die Philister, mit Jhwhs Erwähltem hat es Goliat zu tun. Sieg und Größe Israels sind Erweise Seiner Kraft, Davids Triumph ist Frucht des Vertrauens auf Ihn. Israels Existenz hängt nicht an Schwert und Spieß und Rüstung, sondern daran, daß sein Gott sich nicht spotten läßt (17,45). Die hier sich offenbarende Gesamthaltung steht den Überzeugungen davidischer Hof- und Jerusalemer Zions-Theologie bzw. -ideologie nahe, [19] das heißt: historisch informiert die Goliatgeschichte zunächst über das Denken höfischer Kreise zur Zeit des etablierten judäischen Königtums als über Ereignisse der frühesten Königszeit. [20]

Die dem Gesamterzähler vorgegebene Hirtenjungen-Geschichte liegt weitgehend bereits auf derselben Linie. Zwar verrät sie weniger schriftstellerischen Ehrgeiz und mehr volkstümliche Erzählfreude, zieht noch nicht so volle theologische Register, sondern spiegelt eine eher schlichte Volksfrömmigkeit, doch ist schon sie nicht so sehr auf historische Fakten aus, sondern malt den Knaben David symbolhaft als Hirten, [21] als über Saul sich aufschwingenden künftigen Herrscher Israels. Mit jedem noch so gefährlichen Feind wird er fertig, in seinem Beisein verhöhnt niemand ungestraft Israel und seinen Gott (17,26.36.43.50).

Wer glaubte, mit der zweiten, vermutlich älteren Goliatgeschichte, der vom geschickten Schleudersoldaten David, endlich auf historisch festes Gestein zu stoßen, sieht sich alsbald enttäuscht. Scheinbar genau wird eingangs der Ort des Geschehens beschrieben, und doch meint man auf eine stilisierte Kulisse für ein militärisches Patt und einen alles entscheidenden Zweikampf zu blicken: ein Bachbett in der Mitte, die aufmarschierenden Truppen an den Hängen links und rechts. Scheinbar präzise werden Aussehen und Ausrüstung Goliats geschildert  jedoch so, daß der Kundige bald merkt: So kann ein wirklicher Krieger nicht bewaffnet gewesen sein. Vielmehr tritt uns, sagenhaft (aber keineswegs märchenhaft!) groß, behängt mit Rüstungsgegenständen aus verschiedenen Ländern und Epochen, ein Sinnbild von ebenso imposanter wie letztlich fruchtloser Männlichkeit und Militanz entgegen. [22] Sein unerwarteter Fall ist nicht der eines bestimmten, historischen Recken, sondern Sinnbild für die überraschende Erfahrung israelitischer Überlegenheit über unbesiegbar scheinende Gegner: wiederum wohl eine geschichtliche Erfahrung, aber nicht so sehr aus der erzählten, als vielmehr aus der Erzählzeit.

Wer all diese Warnsignale gegen ein schlicht historisches Verständnis von 1Sam 17 überhört hat, wird spätestens an einer ganz andersartigen, an anderem Platz in den Samuelbüchern stehenden Goliatgeschichte irre. In 2Sam 21,19 steht zu lesen: Es kam zu einem weiteren Kampf mit den Philistern bei Gob; da erschlug Elchanan, der Sohn Jairs aus Betlehem, den Goliat aus Gat; der Schaft von dessen Spieß war wie ein Weberbaum. Diese Notiz erinnert an ein Militärkommuniqué. Nur das Nötigste wird mitgeteilt: über Elchanan nichts als seine Herkunft, über Goliat lediglich, daß er einen riesenhaften Spieß trug, über den Zweikampf nur, wie er ausging. Einleitend wird angedeutet, daß dies ein Kampf in einer Reihe ähnlicher Kämpfe war. Der knappe Bericht ist Teil einer Liste von Siegestaten, die von Gefolgsleuten Davids über berüchtigte Philisterkämpfer [23] errungen worden sein sollen. Schon die biblischen Tradenten haben das Nebeneinander von 1Sam 17 und 2Sam 21,19 offenbar als irritierend empfunden. Der hebräische Text ist an der zitierten Stelle nicht einwandfrei überliefert. Und der Chronist, der in nachexilischer Zeit die Geschichte Israels noch einmal neu erzählt, läßt Elchanan nicht Goliat selber, sondern dessen Bruder Lachmi besiegen (1Chr 20,5). [24] Solche Glättungsversuche zeigen nur die Verlegenheit angesichts historischer Ungereimtheiten. Diese werden dem Redaktor, der den Samuelbüchern ihre jetzige Gestalt gegeben hat, [25] nicht verborgen gewesen sein. Natürlich wäre es ihm ein leichtes gewesen, die Notiz über Elchanan zu übergehen. Darin, daß er das nicht tat, dürfte eine Botschaft an uns Leser stecken: die Geschichte von Davids Goliatsieg nicht vordergründig als Historie, sondern als hintergründige Parabel zu nehmen  was sie in all ihren Versionen auch tatsächlich hat sein wollen.

 

III  Die theologisch-ethische Ebene

Davids Sieg über Goliat, der Triumph des Kleinen und Schwachen über den Großen und Starken, hat allezeit als wundervoll ermutigend und glaubensstärkend gegolten. Gerade die religiös durchsättigten Dialoge zwischen David und Saul, Goliat und David sind ein Exempel für den hohen Glaubensmut eines, der sich für eine gerechte Sache schlägt. Jhwh, der mich aus der Tatze des Löwen und des Bären errettet hat, wird mich aus der Hand dieses Philisters erretten! ... Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Wurfspieß; ich aber komme zu dir mit dem Namen Jhwhs der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die du verhöhnt hast! (1Sam 17,37.45)

Es spricht für ein verfeinertes, jedenfalls verändertes moralisches Bewußtsein, wenn alle neueren Davidromane der Erzählung von David und Goliat, gerade nach ihrer religiös-ethischen Seite hin, mit einer spürbaren inneren Distanz gegenüberstehen. Man ist mißtrauisch geworden gegen die Siegertypen, auch oder gerade, wenn sie sich fromm und glaubensstark geben.

Wen wohl läßt Stefan Heym sagen, es bestehe größtes Interesse daran, die Kinder Israels mit dem Geist zu erfüllen, welcher den jungen David bei seiner Heldentat beseelte, und darzutun, daß der Vater König Salomos nicht nur ein großer Dichter und Musiker, Philosoph und Theologe, Administrator und Organisator ... war, sondern auch nicht davor zurückschreckte, sich persönlich zu schlagen, selbst wenn der Gegner zwei- oder dreimal so groß war wie er (48)? General Benaja ist es, der skrupellose Machtmensch, der so spricht. Und zu Davids frommen Worten vor dem Zweikampf bemerkt Ethan, der kluge Redaktor des König-David-Berichts, spürbar reserviert: Das klingt ganz nach David; er rühmt sich gern seiner persönlichen Verbindung zu Jahweh (50).

Joseph Hellers David, zu einem alten Zyniker geworden, ironisiert seine damaligen begeisterten Reden gleich selber. Nichts von alledem klingt, offen gestanden, wie etwas, das ich unter normalen Umständen je gesagt hätte ... Das waren damals die Tage meiner jugendlichen Unerfahrenheit, ich hatte noch kein Urteil und glaubte so mancherlei, dem ich jetzt skeptisch gegenüberstehe. Ich glaubte an die Zukunft. Ich glaubte noch an Gott. Ich hätte vermutlich an die Bibel geglaubt (101). Voller Wohlgefallen hingegen entsinnt sich David des berauschenden Gefühls nach dem Sieg: Daß die Leute mich anstarrten, gefiel mir ... Michal schminkte sich und saß am Fenster. Man kann sich denken, daß sie sich zweifach, nein dreifach begünstigt vorkam, als ich vorüberzog und sie gewahrte, welch blendende Erscheinung ich war (104). Ganz ähnlich sucht der David Torgny Lindgrens seiner Frau Batscheba damit zu imponieren, daß er in seinen Erzählungen den Riesen Goliat ins immer Riesenhaftere wachsen läßt.

Laut Grete Weil indes und ihrer Heldin Michal kehrte aus dem Goliatkampf kein eitler Pfau zurück, sondern ein Mann, der ein für allemal die Schwelle zur Gewalt überschritten hat. Als ich David wiedersah, trug er noch immer das weiße, über und über mit Blut bespritzte Hemd ... Ich habe David nie mehr in Weiß gesehen. Er war ein Krieger geworden (33f). Jahwe ist mit ihm, versichert ihr Jonatan, der David verfallen ist. Jahwe ist mit ihm, wiederhole ich verzweifelt und glaube nicht mehr, daß es Jahwe gibt (39). Mit dem Glauben ist in Michal die Liebe erloschen. Wenn ich ihn spöttisch fragte in späteren Jahren, wie das denn mit Goliath gewesen sei, zog er nervös die rechte Braue hoch und sagte abschätzig: Das war kein Mensch. Das war ein Tier. (30)

Den Gegner perhorreszieren, um Hinterlist und Grausamkeit gegen ihn zu legitimieren: ein seit je beliebtes Mittel  überraschend nur, daß sich seiner gerade David und gerade im Blick auf Goliat bedienen muß.

Alle vier Romanautoren wittern in der Goliatgeschichte offenbar etwas wie einen religiös verbrämten Chauvinismus. Doch läßt der biblische Text, gerade in seinem überlieferungsgeschichtlichen Werden, erkennen, daß man des Problems frühzeitig gewahr wurde. Die relativ älteste, die Version vom Schleuderer David, bewegt sich noch am ehesten auf der Ebene soldatischen Ruhms und nationaler Ehre. Es will aber wohl beachtet sein, daß sie mit keinem Wort von Gott redet: weder davon, daß Goliat ihn verhöhnt, noch daß David ihm vertraut. Selbstverständlich waren die Erzähler und Hörer dieser Geschichte keine Agnostiker, doch machten sie in diesem Zusammenhang von ihrem Glauben keinerlei Aufhebens. Der Philister war aggressiv und überheblich, David tapfer und geschickt. Das genügt.

Den Endverfassern der Samuelbücher genügte es nicht. Sie stellen uns Lesern einen zweiten Anwärter auf den Ehrentitel des Goliatbezwingers vor: Elchanan, wie David aus Betlehem stammend, und auch er ein tapferer Krieger (2Sam 21,19). Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß er den Goliat aus Gat erschlagen hat; denn viel eher zieht die Gestalt des Königs die Heldentat eines Gefolgsmannes an, als umgekehrt. So hatte Elchanan gewissermaßen mit zwei riesenhaften Gegnern zu kämpfen  und es wurde dafür gesorgt, daß er nicht unterging. Sein Überleben nach dem Kampf mit Goliat und später in der Überlieferung wehrt der Versuchung, David aufgrund von 1Sam 17 zum kriegerischen Idol zu stilisieren. In der Bibel wachsen die Bäume selbst eines David nicht in den Himmel!

Auf andere Weise erzielt den gleichen Effekt die zweite Version von Davids Goliatsieg. Sie mag anrührend und erfrischend wirken  als militärische Dienstvorschrift eignet sie sich indessen nicht. Eines ihrer Leitmotive ist das Schmähen der Schlachtreihen und letztlich des Gottes Israels durch einen frechen Ungläubigen. [26] Dessen Eliminierung dient nicht einem militärisch-politischen Zweck, sondern der Ehrenrettung Israels und seines Gottes. Die Rettungstat ist nicht ein Heldenstück, sondern grenzt an ein Wunder. David ist kein kriegstüchtiger Soldat (wie seine Brüder), sondern Vaters Jüngster, völlig unvermutet ins Kriegsgeschehen hineingeraten, nein, durch göttliche Fügung hineingeführt, im Kampf scheinbar ein krasser Außenseiter und auf verlorenem Posten  wenn er nicht den Gott der Schlachtreihen Israels auf seiner Seite hätte.

Grenzen aber solche Aussagen nicht doch bedenklich nahe an religiösen und nationalen Chauvinismus? Vielleicht ja  doch gilt es zweierlei zu bedenken: Israel wird in der Erzählung als mit dem Rücken zur Wand stehend, als in seiner Existenz bedroht geschildert; [27] und es war dies tatsächlich, nicht nur zur Zeit seiner Staatsgründung, sondern davor und danach oft genug. Diesem Volk, wenn es davon erzählt, wie es dann und wann aus tödlicher Gefahr wunderbar errettet wurde, mit Bedenken wegen angeblichen Chauvinismus zu kommen, ist seinerseits nicht unbedenklich. [28] Vor allem aber sind die beiden Versionen von Davids Goliatsieg durch einen Redaktor verbunden worden, der  nun nicht etwa den Untergang Israels als wünschenswert hingestellt, wohl aber in die entstehende Gesamterzählung Akzente eingebracht hat, die ein mögliches chauvinistisches Mißverständnis erheblich erschweren. Indem er David den Versuch machen und dann abbrechen läßt, mit Sauls Rüstung in den Kampf zu ziehen (17,38f), wertet er nicht nur den derzeitigen gegen den künftigen König ab, sondern auch das übliche soldatische Gepräge und Gehabe. Nicht Heldentum ist Davids Sache, sondern Gottvertrauen: Jhwh, so glaubt er selbst, wird ihn vor Goliat retten, und Saul glaubt, Jhwh werde mit ihm sein (17,37); auf Jhwh Zebaot verläßt er sich, während Goliat auf Schwert und Speer und Wurfspieß traut (17,45); für Jhwh wagt er den Kampf, damit alle Welt in Ihm den Gott Israels erkenne (17,46).

Das sind eher Worte eines glaubensvollen Predigers als eines heroischen Kriegers. Und sie gelten mehr den hinter ihm stehenden (und den seine Geschichte lesenden) Israeliten als dem Riesen Goliat, an den sie unmittelbar gerichtet sind. Und doch ist es wichtig, daß auch er sie hört (und mit ihm die Philister und sogar alle Welt). Denn indem David seinem Gegner laut ankündigt, was ihm bevorsteht, weicht der letzte Gedanke daran, es sei bei diesem Zweikampf vielleicht eine Hinterlist ausschlaggebend gewesen: als hätte David sich etwa als harmloser Hirte getarnt und Goliat unversehens überfallen (wie es unsere modernen Romanautoren teilweise wirklich unterstellen). Nein, nach Davids Rede weiß Goliat, woran er ist  und er tut daraufhin den letzten, entscheidenden, zu seinem Tod führenden Schritt auf David zu (17,48).

In diese Abfolge ist jetzt ein Satz gefügt, der mitten in einer dramatisch bewegten Handlung still und schön aufstrahlt wie ein Juwel in reich geschmückter Fassung: Diese ganze Versammlung soll erfahren, daß Jhwh nicht durch Schwert und Speer Sieg schafft; denn Jhwhs ist der Krieg, und er wird euch in unsere Hände geben (17,47). Am Höhepunkt einer (vermeintlichen) Kriegsgeschichte steht eine fein geschliffene Sentenz gegen den Krieg. [29] Jhwhs ist der Krieg, lautet sie  und mit ihr wird den Menschen das Kriegführen verwehrt: genauso, wie mit den Sätzen Mein ist das Land und Mein ist die Rache der Anspruch aufs Land und auf Vergeltung für Gott reklamiert  und so den Menschen entwunden wird. [30] Der Gegensatz zum Sieg durch Schwert und Speer ist nicht etwa der Sieg per Schleuder; den einen möchte Goliat erringen, den anderen erringt David  doch Gott erringt seine Siege anders. Gott schafft ohne Waffen Frieden. [31]

Religiös getarnter Chauvinismus? Es lohnt sich, die Bibel genau zu lesen  sie ist uns allermeist weit voraus. Sie ist auch den Romanciers voraus, die sich ihrer Stoffe bedienen  und die uns dabei helfen mögen, sie genau zu lesen.

 

Textschichtung in 1Sam 17

(Übersetzung nach der Zürcher Bibel)

1Nun sammelten die Philister ihr Heer zum Kriege, und sie kamen in Socho zusammen, das zu Juda gehört, und lagerten sich zwischen Socho und Aseka bei Ephes-Dammim. 2Saul aber und die Männer Israels kamen zusammen und lagerten sich im Terebinthentale und rüsteten sich zum Kampfe gegen die Philister. 3Die Philister standen am Berge jenseits, und die Israeliten am Berge diesseits, sodass das Tal zwischen ihnen war. 4Da trat aus den Reihen der Philister ein Zweikämpfer hervor mit Namen Goliath, aus Gath, sechs Ellen und eine Spanne hoch. 5Der hatte einen ehernen Helm auf dem Haupte und war mit einem Schuppenpanzer angetan, und das Gewicht seines Panzers betrug fünftausend Lot Erz; 6er hatte eherne Schienen an den Beinen und einen ehernen Wurfspiess auf dem Rücken. 7Der Schaft seines Speeres war wie ein Weberbaum, und die Spitze seines Speeres wog sechshundert Lot Eisen, und der Schildträger schritt vor ihm her. 8Und er stellte sich hin und rief den Reihen Israels zu: Warum zieht ihr aus, euch zum Kampf zu rüsten? Bin ich nicht der Philister, ihr aber Knechte Sauls? Erwählt euch einen Mann, dass er zu mir herabkomme! 9Vermag er mit mir zu kämpfen und erschlägt er mich, so wollen wir eure Knechte sein; bin aber ich ihm überlegen und schlage ihn, so sollt ihr unsere Knechte sein und uns dienen. 10Und der Philister sprach: Ich verhöhne heute die Reihen Israels. Stellt mir einen Mann, dass wir miteinander kämpfen! 11Als Saul und ganz Israel das hörten, verzagten sie und fürchteten sich sehr. 12David aber war der Sohn eines Ephratiters aus Bethlehem in Juda; der hiess Isai und hatte acht Söhne, und der Mann war alt und hochbetagt zu Sauls Zeiten. 13Nun waren die drei ältesten Söhne Isais mit Saul in den Krieg gezogen; diese drei Söhne, die in den Krieg gezogen waren, hiessen: der Erstgeborene Eliab, der zweite Abinadab und der dritte Samma; 14David aber war der jüngste. Die drei ältesten waren Saul gefolgt. 15David nun ging ab und zu von Saul weg, um seines Vaters Schafe in Bethlehem zu hüten. 16Aber der Philister trat am Morgen und am Abend auf und stellte sich hin, vierzig Tage lang. 17Da sprach einst Isai zu seinem Sohne David: Nimm doch für deine Brüder ein Epha von dem gerösteten Korn da und diese zehn Brote und bringe sie eilend deinen Brüdern ins Lager. 18Und die zehn Käse da bringst du dem Obersten und schaust nach dem Befinden deiner Brüder und lässest dir das Pfand von ihnen geben. 19Saul nämlich und sie und alle Männer Israels liegen im Terebinthentale im Kampf mit den Philistern. 20Da machte sich David am Morgen in der Frühe auf und überliess die Schafe einem Hüter, dann lud er auf und ging hin, wie ihm Isai geboten hatte. Er kam eben zur Wagenburg, als das Heer sich in Schlachtordnung aufstellte und man das Kriegsgeschrei erhob; 21und Israel und die Philister stellten sich auf, Schlachtreihe gegen Schlachtreihe. 22Da legte David sein Gepäck ab und übergab es dem Trosswächter; dann lief er zur Schlachtreihe, ging hinein und begrüsste seine Brüder. 23Während er mit ihnen redete, da kam gerade der Zweikämpfer, Goliath mit Namen, der Philister von Gath, aus den Reihen der Philister herauf und führte die gewohnten Reden, und David hörte es. 24Aber alle Männer Israels flohen vor dem Manne, als sie ihn sahen, und fürchteten sich sehr. 25Ein Israelit aber sprach: Habt ihr den Mann gesehen, der da heraufkommt? Israel zu verhöhnen, kommt er herauf. Wer ihn erschlägt, den will der König sehr reich machen und ihm seine Tochter geben, und seines Vaters Haus will er steuerfrei machen in Israel. 26Da fragte David die Männer, die bei ihm standen: Was wird dem zuteil, der den Philister da erschlägt und die Schmach von Israel wegnimmt? Denn wer ist dieser unbeschnittene Philister, dass er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes höhnen darf? 27Die Leute sagten ihm dasselbe: Das und das wird dem zuteil, der ihn erschlägt. 28Als aber Eliab, sein ältester Bruder, ihn mit den Männern reden hörte, geriet er in Zorn über David und sprach: Warum bist du da herabgekommen, und wem hast du die paar Schafe in der Wüste überlassen? Ich kenne deine Vermessenheit und deinen schlimmen Sinn; nur um den Krieg zu sehen, bist du da herabgekommen. 29David antwortete: Was habe ich denn nun getan? Man wird doch ein Wort reden dürfen! 30Und er wandte sich von ihm ab zu einem andern und fragte dasselbe, und die Leute antworteten ihm wie das erstemal. 31Als nun bekannt wurde, was David gesprochen hatte, hinterbrachte man es Saul; der liess ihn holen. 32Und David sprach zu Saul: Mein Herr lasse den Mut nicht sinken! Dein Knecht wird hingehen und mit diesem Philister kämpfen. 33Saul aber sprach zu David: Du kannst nicht zu diesem Philister hingehen, um mit ihm zu kämpfen; denn du bist ein Knabe, er aber ist ein Kriegsmann von Jugend auf. 34Da sprach David zu Saul: Dein Knecht hütete seinem Vater die Schafe; kam nun der Löwe oder der Bär und trug ein Schaf weg von der Herde, 35so lief ich ihm nach, schlug ihn und riss es ihm aus dem Rachen; erhob er sich aber wider mich, so ergriff ich ihn beim Barte und schlug ihn tot. 36Den Löwen wie den Bären hat dein Knecht erschlagen; und diesem unbeschnittenen Philister soll es ebenso ergehen, weil er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes gehöhnt hat. 37Und David sprach: Jhwh, der mich aus der Tatze des Löwen und des Bären errettet hat, wird mich auch aus der Hand dieses Philisters erretten! Da sagte Saul zu David: Geh hin! Jhwh wird mit dir sein! 38Und Saul zog David seine Rüstung an: er setzte ihm einen ehernen Helm aufs Haupt und legte ihm einen Panzer um. 39Darnach gürtete er David sein Schwert um, über der Rüstung, und er bemühte sich zu gehen; denn er hatte es noch nie versucht. Da sprach David zu Saul: Ich kann darin nicht gehen; denn ich habe es noch nie versucht. Und David legte alles wieder ab, 40[Er] nahm seinen Stecken in die Hand und suchte sich fünf glatte Steine aus dem Bach und legte sie in die Hirtentasche, die ihm als Steinbeutel diente; dann nahm er seine Schleuder zur Hand und trat dem Philister entgegen. 41Der Philister aber näherte sich David immer mehr, während der Schildträger vor ihm her schritt. 42Als nun der Philister hinschaute und David sah, verachtete er ihn, weil er noch ein Knabe war, ein rotblonder Jüngling von schöner Gestalt. 43Und der Philister sprach zu David: Bin ich denn ein Hund, dass du mit einem Stecken zu mir kommst? Und er fluchte David bei seinem Gott. 44Dann sprach er zu David: Komm nur her, so will ich dein Fleisch den Vögeln des Himmels und den Tieren des Feldes geben! 45David aber sprach zu dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Wurfspiess; ich aber komme zu dir mit dem Namen Jhwhs der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die du verhöhnt hast. 46Am heutigen Tage wird dich Jhwh in meine Hände liefern, dass ich dich erschlage und dir den Kopf abhaue; und ich werde heute deinen Leichnam und die Leichname des Philisterheeres den Vögeln des Himmels und dem Wild der Erde geben, damit alle Welt erkenne, dass Israel einen Gott hat 47[und damit diese ganze Versammlung erfahre, dass Jhwh nicht durch Schwert und Speer Sieg schafft; denn Jhwhs ist der Krieg, und er wird euch in unsere Hände geben]. 48Als sich nun der Philister aufmachte und auf David losschritt, [Da] lief David eilends aus der Schlachtreihe auf den Philister zu. 49Und David griff mit der Hand in die Tasche, nahm einen Stein daraus, schleuderte ihn und traf den Philister an der Stirn, dass ihm der Stein in die Stirn drang und er auf sein Angesicht zur Erde fiel. 50So überwand David den Philister mit Schleuder und Stein; er traf den Philister und tötete ihn, ohne dass er ein Schwert zur Hand hatte. 51Dann lief er hin, trat zu dem Philister, fasste dessen Schwert, zog es aus der Scheide und tötete ihn, indem er ihm damit den Kopf abhieb. Als nun die Philister sahen, dass ihr Held tot war, flohen sie. 52Die Männer Israels und Judas aber machten sich auf, erhoben das Feldgeschrei und verfolgten die Philister bis nach Gath und bis an die Tore von Ekron. Und erschlagene Philister lagen auf dem Wege von Saaraim an bis nach Gath und Ekron. 53Dann kehrten die Israeliten um von der Verfolgung der Philister und plünderten ihr Lager. 54David aber nahm den Kopf des Philisters und brachte ihn nach Jerusalem, seine Waffen aber legte er in sein Zelt. 55Als Saul sah, wie David dem Philister entgegenging, sprach er zu dem Feldhauptmann Abner: Wessen Sohn ist denn der Knabe, Abner? Abner sprach: So wahr du lebst, König, ich weiss es nicht! 56Da sprach der König: So frage du, wessen Sohn der Jüngling sei. 57Als nun David nach dem Siege über den Philister zurückkam, nahm ihn Abner und führte ihn vor Saul, während er noch den Kopf des Philisters in der Hand hielt. 58Und Saul sprach zu ihm: Wessen Sohn bist du, Knabe? David sprach: Der Sohn deines Knechtes Isai aus Bethlehem.



[1]     Stefan Heym, Der König David Bericht, München 1972 (Werkausgabe 31990).  Joseph Heller, Weiß Gott, München 1987 (amerikanische Originalausgabe: God Knows, 1984).  Torgny Lindgren, Bathseba, München-Wien 1987 (schwedische Originalausgabe: Bat Seba, 1984).  Grete Weil, Der Brautpreis, Zürich 1988.  Die 1993 erschienene Erzählung Davids Aufstieg von Hans-Martin Gauger habe ich hier noch nicht beigezogen.

[2]     BE XVI, 1973, 71.

[3]     Siehe die beiden vorstehend abgedruckten Beiträge.

[4]     Eine betont andere Sicht der Dinge vertritt J.P. Fokkelman, The Narrative Art and Poetry in the Books of Samuel. A Full Interpretation Based on Stylistic and Structural Analyses, Vol. II: The Crossing Fates, Assen u.a. 1986. Fokkelman bemüht sich, den vollständigen hebräischen Text in seiner Gesamtstruktur und in allen Einzelheiten als sinnvoll und kunstvoll gestaltete literarische Einheit zu erweisen; also ist auch 1Sam 17,15 an organic part der Erzählung und least of all ... a later insertion (201f, vgl. 153f.). Doch wird man der Bibel nur zu einem Teil gerecht, wenn man ihre Autoren als frei gestaltende Literaten, und nicht auch als älterer Überlieferung verpflichtete Tradenten sieht. Es gilt, neben dem biblischen Endtext auch seine mögliche Vorgeschichte zu erhellen. So bleibt er nicht flächig-eindimensional, sondern gewinnt eine historische Tiefendimension. Im geschichtlichen Werden der hebräischen Bibel spiegelt sich die Geschichte Israels mit seinem Gott.

[5]     R. Alter (The Art of Biblical Narrative, New York 1982, 148) redet gerade im Hinblick auf das Nebeneinander von 1Sam 16 und 17 von einer binocular vision of David: das eine Mal werde er als eine im persönlichen Umgang gewinnende Persönlichkeit, das andere Mal als strahlender Volksheld geschildert.

[6]     Damit ist Versuchen widersprochen, die Unebenheiten in 1Sam 1618 literarkritisch zu erklären: durch die Aufteilung der verschiedenen Erzählungen entweder auf die Pentateuchquellen (so neuerdings noch R. North, Davids Rise  Sacral, Military, or Psychiatric?: Biblica 63, 1982, 524544) oder auf eine ältere und eine jüngere Version der sog. Aufstiegsgeschichte Davids (so A.F. Campbell, From Philistine to Throne [1 Samuel 16:1418:16]: Australian Biblical Review 34, 1986, 3541, und O. Kaiser, David und Jonathan. Tradition, Redaktion und Geschichte in I Sam 1620. Ein Versuch: Ephemerides theologicae Lovanienses 66, 1990, 281296).

[7]     Davon scheint schon die Septuaginta, die griechische Übersetzung der hebräischen Bibel, eine Ahnung gehabt zu haben: Sie läßt in 1Sam 1718 große Passagen weg (17,1231.41.48b.50. 5558; 18,15.*6.8b.1011.12b.1719.21b)  vermutlich, um einen glatteren und auch mit dem vorangehenden Kapitel 16 sich nicht so stark reibenden Text zu erhalten. In der exegetischen Forschung (vgl. die intensive Debatte in D. Barthélemy / D.W. Gooding / J. Lust / E. Tov, The Story of David and Goliath. Textual and Literary Criticism, Fribourg 1986 [OBO 73]) ist umstritten, ob der knappere Septuaginta-Text ursprünglich und der hebräische mit späteren Erweiterungen aufgefüllt, oder ob der griechische eine Kürzung des hebräischen Textes ist. Meines Erachtens ist die zweite Lösung die richtige.

[8]     Den folgenden Ausführungen liegt eine literar-, oder besser: überlieferungskritische Analyse zugrunde, die hier nicht ausführlich begründet werden kann. Ausdrücklich sei vermerkt, daß sich die beiden postulierten Versionen nicht im Sinne von Quellen vollständig wiedergewinnen lassen; vielmehr hat der Gesamterzähler sie nur aufgenommen und zu einer neuen, zu seiner Version umgestaltet.

[9]     Diese Waffengattung spielt in Texten und Darstellungen der Zeit ein wichtige Rolle, vgl. nur Ri 20,16 sowie die assyrischen Reliefs von der Eroberung Lachischs (siehe Biblisches Reallexikon, Tübingen 21977, Abb. 14.1, und dazu die knappen Bemerkungen ebd. 282).

[10]   Auffälligerweise wird Goliat in 17,23 ganz neu vorgestellt: mit seinem Namen und Herkunftsort sowie in seiner Rolle als Zweikämpfer, was der Leser nach 17,4 alles schon weiß.

[11]   Vermutlich folgte hierauf ein Schluß, der jetzt ebenfalls in 1Sam 18 verarbeitet ist: Saul erfüllt seine Versprechen, David wird des Königs Schwiegersohn.

[12]   Vgl. V.10f mit V.26.36.45 (das Verhöhnen der Schlachtreihen) und V.24 (die Angst Israels); V.16 mit V.4 (das Auftreten Goliats); V.19 mit V.2 (geographische Angabe); V.35 mit V.50 (das Packen, Niederschlagen und Töten des Gegners); V.38 mit V.5 (die Waffenrüstung Sauls und Goliats); V.41 mit V.7 (der Waffenträger Goliats); V.45 mit V.51 (das Schwert Goliats).

[13]   Vgl. den ehernen Helm und den Panzer in 17,5 und 17,38.

[14]   Erstmals in Davids Worten von 17,45  einem ebenfalls redaktionellen Passus  trägt Goliat ein Schwert!

[15]   Es ist bezeichnend für biblische Bearbeiter und Redaktoren, daß sie am liebsten innerhalb von Dialogen handelnder Figuren das Wort ergreifen, weil sie so den Handlungsablauf nicht stören und zugleich das ihnen am Herzen Liegende am offensten sagen können.

[16]   Das Tetragramm  immerhin eine markante Veränderung gegenüber dem voranstehenden Ausdruck lebendiger Gott  wird auch sonst nur in redaktionellen Partien gebraucht: 17,45.46. Es ist zudem Bestandteil der ebenfalls redaktionellen Mitseins-Formel, 17,37.

[17]   Natürlich waren sie davon überzeugt, nicht etwa Märchen zu erzählen. Der zentrale Erzählzug etwa vom stellvertretenden Kampf zweier Krieger anstelle der gegeneinander aufmarschierten Heere gewinnt historische Färbung nicht nur aus der biblischen Parallele 2Sam 2,12ff, sondern auch aus altorientalischen Analogien, vgl. R. de Vaux, Single Combat in the Old Testament, in: G.E. Wright (ed.), The Bible and Ancient Near East, Garden City 1961, 122135, sowie H.A. Hoffner, A Hittite Analogue to the David and Goliath Contest of Champions?: CBQ 30 (1968) 220225. A. Rofé (The Battle of David and Goliath  Folklore, Theology, Eschatology, in: J. Neusner / B.A. Levine / E.S. Frerichs (ed.), Judaic Perspectives on Ancient Israel, 1987, 117151, hier 132f) sieht die dichtesten Analogien in Homers Ilias.

[18]   Sie können freilich auch das. Die deuteronomistischen Geschichtsschreiber der Exilszeit zitieren als Quelle immer wieder die Tagebücher der Könige von Israel bzw. Juda, das erste Mal in 1Kön 14,19; jeweils da in den Königsbüchern, wo relativ pur Fakten mitgeteilt werden, hat man am ehesten Auszüge aus jenen annalenartigen Büchern vor sich (z.B. 2Kön 14,25; 15,5). In 2Sam 1,17f wird als Quelle eines Trauerliedes das Buch des Wackeren genannt. Joseph Heller ironisiert auch solche Quellenangaben: ... Das steht im Buch Jaser geschrieben für den, der das Buch Jaser je findet (87).

[19]   Erinnert sei an ältere Zions- und Königslieder wie Ps 2; 45; 46, aber auch an jüngere Produkte derselben Geistigkeit wie die Jesajalegenden 2Kön 1820 oder die Psalmen 33 und 146.  Auch sei auf ganz ähnliche Beobachtungen verwiesen, welche ältere Textschichten in 2Sam 7 und 12 zulassen, vgl. W. Dietrich, David, Saul und die Propheten, 21992 (BWANT 122), 108ff.125ff.

[20]   Man darf freilich das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Die Erzählung spiegelt nicht nur die Erzählzeit, sondern in ihren Grundzügen  Philistergefahr, König Saul, aufstrebender David, General Abner  durchaus auch die erzählte Zeit.

[21]   Herrscher im Alten Orient stellten sich gern als gute (!) Hirten dar; eben daraus beziehen Texte wie Ez 34 und Ps 23 ihren herrschaftskritischen Impetus.

[22]   Vgl. K. Galling, Goliath und seine Rüstung: Volume du congrès, Genève 1965, 1966 (VT.S 15), 150169.

[23]   Sie werden in 2Sam 21,16.18.20f offenbar einem sagenhaften Geschlecht furchterweckender, riesenhafter Kämpfer zugerechnet.

[24]   Die Änderung ist ebenso fein wie feinsinnig. Hieß es in 2Sam 21,19, Elchanan sei Betlehemiter gewesen (ymxlh tyb), so läßt der Chronist Elchanan den Lachmi (ymxl-t)) erschlagen; das klingt ganz ähnlich, ist aber etwas ganz anderes ... Im übrigen fehlt in der Chronik die Ortsangabe bwg, doch besteht kein Anlaß, an deren Ursprünglichkeit zu zweifeln.

[25]   Die Kapitel 2Sam 2124 sind, was kaum jemand bestreitet, ein redaktioneller Nachtrag, der übriggebliebenes Material über die Davidszeit unmittelbar vor dem Bericht über das Ende Davids in 1Kön 1f noch zur Geltung bringen sollte; dabei wurde der Zusammenhang der Thronfolgegeschichte (2Sam 920; 1Kön 1f) gesprengt.

[26]   Vgl. 1Sam 17,25.26.36.45.

[27]   Vgl. die Schilderung von V.24, wonach alle israelitischen Soldaten beim bloßen Anblick Goliats fliehen, sich also als absolut chancenlos erleben.

[28]   Der Antisemitismus bzw. die Judenfeindschaft hat zuweilen seltsame Gesichter!

[29]   Es artikuliert sich hier das Bekenntnis des nachexilischen Israel, das nicht mehr als Staat, sondern als religiöse Gemeinde verfaßt ist; als solche kann es sich nicht mehr mit eigener militärischer Macht seiner Feinde erwehren, denkt darob aber keineswegs an Selbstaufgabe, sondern erwartet  und erfährt immer wieder!  die Sicherung seiner Existenz auf andere, letztlich von Gott selbst gewährte Weise. A. Rofé (s. oben Anm. 17) möchte gleich die gesamte David-Goliat-Erzählung, jedenfalls in ihrer jetzt vorliegenden Form, aus der Zeit des Zweiten Tempels, genauer: aus dem 4. Jahrhundert, herleiten. Seine z.T. minutiösen, vor allem sprachgeschichtlichen Nachweise vermögen indes m.E. nicht mehr, als deutlich zu machen, was ohnehin auf der Hand liegt: daß die älteren Geschichtsüberlieferungen Israels durch diese Spätzeit hindurchgegangen sind und teilweise auch von ihr noch geformt wurden.

[30]   Lev 25,23; Röm 12,19.

[31]   Der Ergänzer beschreibt den Frieden als einen Zustand, da Gott den Israeliten ihre Feinde in die Hände gibt: ein Rest Militanz, eine Konzession an den Kontext  oder eine gar nicht mehr machtpolitisch, sondern geistlich zu verstehende Metapher?